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Glaube und Schwulsein – wie geht das zusammen?

Ich möchte gerne einiges aus meinem Leben erzählen, um andern schwulen oder bisexuellen Männern Mut zu machen, sich selber ernst zu nehmen in der Liebe zum eigenen Geschlecht. Denn Gott hat uns unsere eigene und besondere Sexualität gegeben, damit wir Liebe geben und empfangen können.

Kindheit

Ich bin 1951 in Mülheim an der Ruhr geboren. Mein Vater starb, als ich drei Jahre alt war. Meine Mutter hat meine etwas jüngere Schwester und mich alleine großgezogen.

 Jugend

Soweit ich zurückdenken kann, fühle ich mich mehr zu Männern körperlich hingezogen wie zu Frauen. Schon in der Pubertät hat es mich erregt, z.B. unter der Dusche im Schwimmbad nackte Männer zu sehen. Aber zunächst war das ein Bereich, der mich nur in meinen nächtlichen Phantasien beschäftigen durfte, denn ich hatte mich bei der Konfirmation bewusst für ein Leben mit Gott entschieden. Das hieß, die Gebote der Bibel  zu befolgen. Als Jugendlicher mit 16 Jahren nahm ich an Bibelfreizeiten des CVJM teil. Wir lernten Jesus als den Sohn Gottes kennen, der uns am Kreuz auf Golgatha mit seinem Leiden und Sterben erlöst hat, und dem wir in der Nachfolge treu zu sein hatten. Ich las des Morgens in der Bibel und betete regelmäßig. Was die Sexualität anging, gehörte sie in die Ehe, so lernte ich da, und auf jeden Fall war Selbstbefriedigung Sünde und musste gebeichtet werden. Es war für mich undenkbar, einen anderen Jungen anzufassen, und dachte immer, eines Tages findest du ein Mädchen, das du heiraten kannst. Sehr gerne bin ich auf einer Freizeit in Finnland zum ersten Mal mit den anderen Jungen in die Sauna gegangen, und habe es genossen, die Kameraden mal nackt zu sehen. Trotzdem kam ich nicht auf den Gedanken, schwul zu sein. Außerdem hatte ich furchtbare Angst, in der Klasse als Schwuler gehänselt zu werden. Von Haus aus bin ich nämlich ziemlich schüchtern und kein Held. Wenn ich zurückdenke, hat mir nie etwas gefehlt, wenn ich „nur“ mit Jungs zusammen war. Und mir war es unangenehm, wenn andere von ihren Eroberungen bei Mädchen sprachen: Das konnte ich nicht! Ich war anders wie die andern. Ich wurde in der Klasse zum Außenseiter, gerade auch wegen meines Glaubens an Gott. Aber die Gemeinschaft im CVJM war für mich eine wichtige Stütze.

Erste Jahre im Theologie-Studium 1970 – 75
Meine Auseinandersetzung mit meinem Schwulsein und der Berufung zum geistlichen Amt prägten diese Jahre. Mein Berufungserlebnis hatte ich mit 19 Jahren. Eigentlich wollte ich nach dem Abi Gartenbau studieren und machte ein Praktikum in einer Gärtnerei. Als ich morgens einen Bibelvers las (Hosea 2,21: Ich will mich mit dir verloben für alle Ewigkeit...), da merkte ich, dass mich Gott zum Pfarrer haben wollte, und meldete mich in der Kirchlichen Hochschule Wuppertal an. Das Studium der evangelischen Theologie war für mich wegen der biblischen Sprachen nicht einfach, aber letztendlich habe ich alle meine Examen geschafft.

Es kamen wichtige Fragen auf: Wie passt denn meine geistliche Berufung mit meinem Schwulsein zusammen? War das nicht durch die Bibel verboten, (z.B. 3.Mose 18, 22, siehe unter Bibel!)? Und wie konnte ich das als Pfarrer leben, ohne unangenehm aufzufallen und aus dem Dienst entfernt zu werden? Das war damals, Ende der 70er Jahre, noch eine berechtigte Angst.

Die biblisch-theologischen Fragen waren für mich die entscheidenden. Ich kam zu der Erkenntnis: 3.Mose 18,22 ist als Verbot gegen kultische Prostitution gedacht, wie sie damals unter orientalischen Völkern bei den Soldaten üblich war. Das christliche Bild vom Menschen in Bezug auf die gleichgeschlechtliche Liebe ist nicht aus einigen wenigen Bibelstellen zu begründen, die aus dem Zusammenhang gerissen werden. Es ist zu unterscheiden zwischen dem eigentlichen Inhalt des Evangeliums von Jesus Christus und den zeitgebundenen Moralvorstellungen.

Fazit: Anlagebedingte Homosexualität und Partnerschaft, wie wir sie heute kennen, liegen außerhalb des biblischen Erfahrungshorizontes.

Die Seelsorgepraxis der Kirche sollte sich um das Verstehen und Akzeptieren des Menschen bemühen, der sich ihr anvertraut; besonders auch der schwulen Männer und der lesbischen Frauen. Sie sollte nicht versuchen, sie „umzupolen“.

Als Kirche hat sie die Aufgabe, Minderheiten zu schützen und ihnen ein Forum anzubieten als „Kirche für andere“.

Die Frage nach der Ursache und der Entstehung von Homosexualität werden für mich mehr und mehr nebensächlich. Denn das eigentliche Problem liegt da, wo Schwule und Lesben in einer ihnen fremden Heterogesellschaft leben müssen.

Da stellt sich die Frage, wieviel Selbstbewusstsein haben wir?

Aus diesen neu gewonnenen Überzeugungen entstand der Wille, mich selber anzunehmen, so wie ich bin, mit meinem Glauben und mit meiner sexuellen Ausrichtung.
Ich wollte einen festen Partner und mithelfen, dass die Vorurteile gegenüber Schwulen in der Gesellschaft und in der Kirche abgebaut werden. Deshalb suchte ich Gruppen, wie z. B. die HuK, auf, die das gleiche Ziel hatten, und arbeitete darin mit.

Der kirchliche Kampf um Anerkennung von Schwulen und Lesben durch die Kirche
Viel wäre zu schreiben über den Diskussionsprozess, der in unserer Evangelischen Kirche im Rheinland in den letzten 15 bis 20 Jahren geführt worden ist.

Kennzeichnend dafür sind einmal die beiden Arbeitspapiere „Homosexuelle Liebe“ von 1992 und „Sexualität und Lebensformen“ von 1996. Diese sind in den vielen Kirchengemeinden diskutiert und die Ergebnisse an die Landessynode zurückgegeben worden. Seit 1996 gehöre ich auch zum Konvent Schwuler Pfarrer und lesbischer Pfarrerinnen. In den letzten Jahren haben wir sehr engagiert an dem Prozess teilgenommen und uns immer wieder persönlich eingebracht.  Auch in Schulklassen habe ich Unterrichtseinheiten zum Thema Homosexualität mitgestaltet.

Beschluss der Landessynode 2000 über gottesdienstliche Begleitung:
Die Landessynode hat im Januar 2000 beschlossen, dass „gleichgeschlechtlich Liebende“ in einem Gottesdienst auf Antrag hin den Segen Gottes erbitten dürfen.


Das war damals ein wichtiger, erster Schritt, als Schwule oder Lesben in der Kirche akzeptiert zu werden. Seitdem haben schon viele Partnerschaftssegnungen oder auch schwule Hochzeiten stattgefunden.


Weitere "Beschlüsse und Entwicklungen unter "Aktuelles".

Zusammenfassend möchte ich sagen:
Der Prozess der Diskussion geht in den christlichen Kirchen und Gemeinden weiter.
Auch in der katholischen Kirche beginnen Männer und Frauen, offener zu leben, ob es dem Papst und den Bischöfen passt oder nicht.

Meine Erfahrung ist: Ich muss mich persönlich im Gespräch mit anderen einbringen, dann bewegt sich etwas bei den Menschen, mit denen ich zu tun habe. Dann merken Menschen, dass sie sich offensichtlich ein falsches Bild von Schwulen gemacht haben.

Auch wir schwulen Männer wollen nur leben, was die anderen auch leben: Mit denselben Rechten und Pflichten, die eine Ehe mit sich bringt.


(Text überarbeitet 2009)

 

 
 

 


 
     
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